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In unserer von visuellen Medien dominierten Zeit ist auch der Einsatz von Filmen im Englischunterricht sehr beliebt - im Kontext der Romanbehandlung als Abschluss einer Unterrichtsreihe oder gar als Ersatz für eine zusammenhängende Textlektüre. Sabine Baltes versucht Text- und Filmanalyse zu kombinieren, indem sie überschaubare Filmsequenzen aus Robert Mulligans Verfilmung von To Kill a Mockingbird für den Einsatz im Englischunterricht aufbereitet.



Harper Lee, To Kill a Mockingbird:
Einsatzmöglichkeiten des filmischen Originals
im Englischunterricht der Sekundarstufe II

Sabine Baltes


Inhaltsverzeichnis


Einleitung 1. Vorteile und Probleme des Einsatzes von Literaturverfilmungen im EU der Oberstufe
1.1 Sprachdidaktische Vorteile
1.2 Spielfilme als landeskundliches Anschauungsmaterial
1.3 Probleme des Einsatzes von Spielfilmen im EU

2. Didaktisch-methodische Vorüberlegungen zum Spielfilmeinsatz

3. Einsatzmöglichkeiten der Verfilmung von To Kill a Mockingbird im EU
3.1 Einstieg: Vorspann und Exposition
3.2 Das "Phantom" Boo Radley
3.3 Das Gerichtsverfahren gegen Tom Robinson
3.4 Der Film in seiner Gesamtlänge

Schlußbemerkung

Fußnoten

Literaturverzeichnis



Einleitung

In der Vergangenheit wurden Originalspielfilme als Einsatzmedium im Englischunterricht (EU) an deutschen Schulen oft als zu schwierig für das Sprachverständnis von Schülern angesehen.(1) Es wurde darauf hingewiesen, dass vor allem die in Spielfilmen häufig anzutreffende elliptische Redeweise, Dialekte, Slang usw. die an eine "neutrale" Lehrersprache - bzw. Received Pronunciation - gewöhnten Schüler überfordern könnten. Alternativ boten sich - oft extra für Unterrichtszwecke erstellte - Sprachlehrprogramme oder Nachrichten- und Dokumentationssendungen in der Fremdsprache an, die diese jedoch ebenfalls nur in einer in Wortwahl und Aussprache optimierten Form darboten.

Diese Reduktion auf die Arbeit mit "neutraler" Sprache wurde vor allem in den 70er und 80er Jahren in Deutschland hinterfragt.(2) Stattdessen wurde zunehmend der Einsatz von authentischen Materialien empfohlen, also solcher Materialien, die aus der Kultur des Zielsprachenlandes stammen und - ohne dies als primäre Intention zu haben - diese Kultur und ihre Sprache in ihrer Realisierung darstellen. Dies bietet sich insbesondere im Hinblick auf den fortgeschrittenen Unterricht an, in dem nicht mehr in erster Linie das Hörverständnis oder die Festigung grundlegender grammatischer Strukturen im Vordergrund stehen, sondern stattdessen die Erweiterung der Sprachkompetenz durch Themenorientierung und durch die Auseinandersetzung mit Literatur in der Fremdsprache.

Dabei kann im hauptsächlich auf Textarbeit ausgerichteten Unterricht der Oberstufe zusätzliches authentisches Material eine sinnvolle Ergänzung zum herkömmlichen Unterricht darstellen. Dennoch sind auch heute noch gerade Originalspielfilme im Literaturunterricht der Oberstufe ein eher unkonventionelles Medium, sei es, dass viele Lehrer beim Filmeinsatz eine passive Konsumhaltung der Schüler befürchten oder dass es ihnen an methodischen Hilfestellungen mangelt, um mit Filmen die Ziele des EU zu erreichen.

Im folgenden sollen zunächst die Vorteile und Probleme des Einsatzes von Literaturverfilmungen im EU der Oberstufe erörtert werden. Es folgen danach notwendige didaktisch-methodische Vorüberlegungen zum Einsatz von Literaturverfilmungen im Unterricht. Anschließend werden Einsatzmöglichkeiten der Spielfilmversion von Harper Lees To Kill a Mockingbird vorgestellt. Es geht dabei jedoch nicht um einen festen Unterrichtsverlaufsplan als vielmehr um die Aufführung von Einsatzmöglichkeiten des Films, da die konkrete Realisierung letztlich von Zusammensetzung des Kurses, vom Leistungspotential sowie von der Motivation der Schüler abhängt.

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1. Vorteile und Probleme des Einsatzes von Literaturverfilmungen im EU der Oberstufe

Als Zielsetzungen des EU auf der Oberstufe werden allgemein Themenorientierung, kommunikative Textverarbeitung, Sprachausbau und Landeskunde genannt.(3) Im Hinblick auf diese Zielsetzungen weisen Spielfilme eine Reihe von Vorteilen auf: Gerade bei Filmen in der Zielsprache spielen vor allem sprachdidaktische und landeskundliche Aspekte eine große Rolle. Daneben enthalten Filme aber auch ein nicht zu unterschätzendes Motivationspotential: Die Rezeption von Spielfilmen stellt heute einen beträchtlichen Teil des Freizeitverhaltens von Jugendlichen dar. Diese Tatsache kann sich der Lehrer zunutze machen, indem er das offensichtliche Interesse der Schüler an Filmen in ihrer Freizeit in eine bewusste Auseinandersetzung mit ihnen innerhalb des Unterrichts umwandelt.

Gleichzeitig wird so teilweise das Argument entkräftet, nach dem der Einsatz von Originalspielfilmen die Schüler überfordere. Motivation, so heißt es in einem Aufsatz, sei eine Funktion von menschlicher Neugier, und daraus resultiere "das mit der Neugier einhergehende unbedingte Verstehenwollen".(4) Vorausgesetzt man setzt das Medium Film überlegt ein, so kann die dadurch hervorgerufene Motivation zu einem erhöhten Verstehens- und Lernergebnis führen. Nicht zu vergessen sind außerdem die sich im Laufe der Zeit immer günstiger gestaltenden technischen Voraussetzungen im Vergleich zum Spielfilmeinsatz in der Vergangenheit. So sind heute Videobänder nicht nur leicht zu beschaffen und zu handhaben, was zum Einsatz des Mediums Film ermutigen sollte. Daneben besteht auch die Möglichkeit des gezielten punktuellen Einsatzes von Filmszenen im Unterricht durch den Vorteil des Vor- und Zurückspulens und somit auch der beliebigen Wiederholbarkeit einzelner Sequenzen.

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1.1 Sprachdidaktische Vorteile

Einer der Grundsätze der modernen Theorie der Fremdsprachenlehre besagt, dass Schüler nicht nur ein abstraktes linguistisches System erlernen, sondern dass sie Sprechakte als Teil eines soziokulturellen Systems erfahren sollen.(5) Die Schüler des Anfangsunterrichts erlernen die Fremdsprache zunächst - notwendigerweise - in ihrer "neutralen" Form, um ihnen die Gewöhnung an die fremde Sprache durch die Plazierung im heimischen Kontext zu erleichtern. Anders sieht dies im EU der Oberstufe aus. Dort steht u.a. die Erweiterung der - rezeptiven wie produktiven - sprachlichen Kompetenz im Hinblick auf die eigentliche Konkretisierung der Fremdsprache im Vordergrund. Besonders um ihre rezeptive Kompetenz zu erweitern, müssen die Schüler die Fremdsprache also in ihrer "natürlichen" Umgebung erfahren, d.h. in ihrer hörbaren und am besten sogar noch in ihrer sichtbaren Konkretisierung.

Gerade diese Funktion weisen Spielfilme im Originalton auf: Sie zeigen Sprechakte und Sprachhandeln im fremden Idiom in "authentischer" Umgebung, präsentieren also die Umsetzung von Vokabular und Syntax in einem multi-dimensionalen Kontext, d.h. wie Sprache im "richtigen Leben" des Ziellandes funktioniert.(6) Dadurch werden die Schüler auch mit sprachauthentischen Elementen wie Intonation, Dialekt, elliptischer Redeweise usw. konfrontiert. Gerade aber das mit der Sprache gekoppelte visuelle Medium bietet in dieser Hinsicht eine große Hilfe. Eine fremde Sprache lässt sich in einem visuellen Kontext eher erschließen als in einem rein textlichen: Beschreibende Passagen eines Textes werden zu universal verständlichen Bildern, Dialoge lassen sich teilweise durch Mimik und Gestik der Sprechenden erschließen. Zudem sind die Filmdialoge oft kurz gehalten und klar zwischen Sprecher und Angesprochenem unterteilt, so dass dort keine zusätzlichen Verständnisbarrieren entstehen. So wird also durch den Einsatz von Spielfilmen das Hör- und Sehverständnis auf einer Schulstufe trainiert, auf der häufig mit schriftlichen Langtexten gearbeitet wird.

Neben dieser - eher passiv-rezeptiven - Funktion können Filme im EU auch einen Beitrag zur Erhöhung der aktiven Sprachkompetenz beitragen. In einem ähnlichen Maße wie schriftliche Langtexte können auch Spielfilme als Grundlage zur Diskussion über Inhalt und Gestaltung dienen. Daneben können Literaturverfilmungen aber noch einen weitergehenden Beitrag leisten. Während die Besprechung des Textes das fundierte sprachliche Verständnis der Textgrundlage voraussetzt, können bei der Besprechung der Filmversion Eindrücke sowohl aus verbalen Äußerungen innerhalb des Filmdialogs wie auch rein visuelle Eindrücke zusammengetragen und diskutiert werden. Vor allem letzteres gibt Schülern, die mit dem Verständnis des Grundlagentextes oder des Filmdialoges Schwierigkeiten hatten, die Möglichkeit, ihre visuellen Eindrücken zu versprachlichen und einem Beitrag zur Diskussion zu leisten. Somit wird auch der Leistungsdifferenzierung eines Kurses Rechnung getragen und gleichzeitig die aktive Sprachfertigkeit gefördert.

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1.2 Spielfilme als landeskundliches Anschauungsmaterial

Die meisten Spielfilme beinhalten die Darstellung von individuellen Schicksalen oder Lebenssausschnitten, kombiniert mit einer allgemeineren Darstellung des Lebens zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort. Sie sind daher eine Art "Spiegel" einer bestimmten Gesellschaft, ihres Verhaltens und ihrer Sprache.(7) Gerade diese gewollt realistische Darstellung gibt Spielfilmen eine hohe landeskundliche Relevanz und ermöglicht einen Einblick in einen "authentischen" kulturellen Kontext. In Zusammenhang mit der Besprechung eines Romantextes ist dies von besonderem Vorteil: Oft können sich die Schüler durch die Romanlektüre allein die fremde Welt, Zeit und Charaktere nur begrenzt bildlich vorstellen. Notwendigerweise projizieren sie Vorstellungen aus ihrem eigenen Erfahrungs- und Kulturkreis in die Romanwelt, was u.U. zu falschen Vorstellungen und undifferenzierten Urteilen führen kann. Verfilmungen des Romans können dem teilweise entgegenwirken, indem sie die im Buch vorausgesetzten kulturellen Elemente, die den Schülern entgehen, in realisierter Form visuell präsentieren.(8) Durch diese Nahebringung einer fremden - oder durch die Schüler doch nur teilweise realisierten - Welt, erhalten die Schüler Einsichten, die sie zur Gewinnung eines neuen Standpunktes führen können. Somit können Literaturverfilmungen das Verständnis des literarischen Werkes differenzieren, erweitern und vertiefen.(9)

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1.3 Probleme des Einsatzes von Spielfilmen im EU

Neben den angeführten Vorteilen des Spielfilmeinsatzes im EU der Oberstufe gibt es ebenso Probleme, aufgrund derer viele Lehrer heute noch auf Filme im Unterricht verzichten. Zum Einen sind - wie oben bereits angedeutet - Spielfilme stark im Freizeitverhalten der Schüler verankert, so dass die Gefahr besteht, dass sie passiv und kritiklos an Filme herangehen. Hier ist vor allem der Lehrer gefragt, der durch entsprechende methodische Schritte das "Zuschauerverhalten" der Schüler, also deren passive Rezeption, abbauen muss und sie stattdessen zu aktiven "Mitschauern"(10) oder Teilnehmern macht. Er muss daher Wege finden, die "darbietende" Wissensvermittlung im Film als Ansatzpunkt zu einer kommunikativen Filmverarbeitung zu nutzen.

Ein unkontrollierter und vor allem ungelenkter Einsatz von Filmen im EU ist daher wenig sinnvoll. Ein zweiter Problempunkt wäre, dass vielen Schülern - selbst auf der Oberstufe - sprachliche, landeskundlich-kulturelle wie auch filmkritische Voraussetzungen fehlen.(11) Besonders die sprachlichen Barrieren wie Sprechtempo, Undeutlichkeiten und elliptische Redeweise (besonders in amerikanischen Spielfilmen) können dazu führen, dass Schüler resignieren und ihre Motivation ins Gegenteil umschlägt. Daher darf ein Spielfilm im EU nicht ohne notwendige Vorarbeit eingesetzt werden. Im Hinblick auf den Einsatz von Filmversionen von Romanen müssen hier die Besprechung des Textes die Grundlage und der Text selbst das ständige Bezugsobjekt bleiben. Methodisch ebensowenig sinnvoll, da überfordernd, ist aus den genannten Gründen daher auch der Einsatz des ganzen Films in voller Länge zu Beginn der Unterrichtsreihe.

Allgemein ist zu sagen, dass in diesen Punkten vor allem das Einfühlungsvermögen des Lehrers sowie seine methodische Kreativität gefragt sind. Leider besteht nämlich immer noch ein Mangel an didaktischen Konkretisierungen zur Arbeit mit Romanverfilmungen,(12) so dass viele Lehrer sich bevorzugt an die konventionellen Unterrichtsmedien halten.

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2. Didaktisch-methodische Vorüberlegungen zum Spielfilmeinsatz

Bevor konkrete Möglichkeiten zum Einsatz der Verfilmung von Harper Lee´s To Kill a Mockingbird vorgestellt werden, sind einige grundsätzliche methodische Vorüberlegungen zum Einsatz von Literaturverfilmungen zu stellen. Die erste bezieht sich auf den zeitlichen Einsatz des Films innerhalb einer Unterrichtsreihe, konkreter: sollen Buch und Film parallel oder sukzessiv im EU eingesetzt werden? Da es im didaktischen Interesse des EU liegt, den Sprachausbau zu fördern, erscheint auch ein problemloses Verstehen von Originalspielfilmen wünschenswert. Deswegen ist es unabdingbar, die sprachliche und inhaltliche Erarbeitung des Textes der Behandlung seiner Verfilmung vorangehen zu lassen. Die Vorarbeit am Text ermöglicht den Schülern ein besseres Beobachten des Films mit weniger Verständnisproblemen ("They know what should happen, so they can concentrate on how it happens.")(13)

Natürlich sollte die inhaltliche Besprechung des Romans von vornherein mit der Planung des Filmeinsatzes abgestimmt sein. D.h. es sollten nicht solche Thematiken vorweggenommen und im Detail besprochen werden, zu denen der Film einen nützlichen Eigenbeitrag leisten kann. Stattdessen sollten durch die Romanbesprechung Denkanstöße gegeben werden, die dann in der Auseinandersetzung mit dem Filminhalt wieder aufgegriffen und tiefergehend diskutiert werden. Durch den Vergleich von Film und Text wird zudem erneute Sprachtätigkeit wie Zitieren und Belegen einerseits, Verbalisierung des bildlich Vermittelten sowie Reproduktion von Filmdialogen andererseits gefördert.(14)

Eine Alternative zum Zeigen von Filmausschnitten nach vollständiger Romanlektüre bietet die "Sandwich-Methode", die jeweils nach der Lektüre eines Sinnabschnittes das Zeigen des entsprechenden Filmsegments vorsieht.(15) Diese bietet sich vor allem bei Langtexten wie Romanen und Dramen an. Dabei muss jedoch darauf geachtet werden, dass der entsprechende Filmausschnitt nicht zu früh gezeigt wird. Sonst besteht die Gefahr, dass das Spiel der Phantasie, das sich beim Lesen des Textes frei entfalten kann, zu früh versiegt und den Schülern die Verbalisierung der eigenen Vorstellungen und die Verteidigung des eigenen Standpunktes, der sich durch die Lektüre entwickelt, genommen werden.

Gerade die subjektiven Eindrücke der Schüler sollten im Interesse eines lernerzentrierten Literaturunterrichts im Vordergrund stehen, da neben der Untersuchung des eigentlichen Text- bzw. Filminhalts die individuellen Reaktionen der Schüler, d.h. ihre eigenen Beobachtungen, Eindrücke und Wertungen sowie ihre Versprachlichung von lernpsychologischer wie auch von sprachdidaktischer Seite her besonders wichtig sind. Um der Darstellung des eigenen Standpunktes eine Richtung zu geben, sollten den Schülern konkrete Beobachtungsaufgaben gestellt werden, unter denen sie den Film(ausschnitt) betrachten sollen. Sie können beispielsweise - in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit - thematische Schlüsselszenen analysieren, das Verhalten von Protagonisten in bestimmten Situationen beobachten, die Umsetzung von beschreibenden oder reflektierenden Passagen des Romans im Film untersuchen sowie filmische Gestaltungsmittel aufzeigen. Die Zusammentragung der Ergebnisse bietet wiederum die Möglichkeit zur Diskussion.(16)

Das führt jedoch zu der Frage, in welchem Umfang der Filmeinsatz erfolgen soll. Es herrscht allgemein Konsens unter modernen Fremdsprachendidaktikern, dass Spielfilme zu Beginn der Besprechung nicht ganzheitlich eingesetzt werden sollten. Zum Einen soll dadurch eine "Konsumhaltung" bei den Schülern verhindert werden und stattdessen eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Filminhalt im Vordergrund stehen; zum Anderen soll somit einer sprachlichen und kulturellen Überforderung der Schüler, die in Demotivation umschlagen kann, entgegengewirkt werden.(17) So sind bewusste Unterbrechungen des Films vorzunehmen, z.B. am Ende von Szenen oder Sinnabschnitten, die dann als "Einstiegsluken" für das Gespräch über die filmische Darstellung dienen können.(18)

In der Praxis hat sich dabei - abhängig vom Handlungszusammenhang - eine Spielzeit von 10-20 Minuten eingebürgert, die mehrere Sequenzen umfassen können. (19) Erst als Abschluss der Unterrichtseinheit sollte das Zeigen des Filmganzen erfolgen, wobei dann der Film in seinem Zusammenhang zur Geltung kommen kann. Dies hängt jedoch von dem Ausmaß ab, mit dem bereits einzelne Filmszenen gezeigt wurden, d.h. von der Frage, ob das Zeigen des Filmganzen überhaupt noch eine Spannungswirkung besitzt, und - damit zusammenhängend - ob die Schüler motiviert sind, den Film noch einmal ganz zu sehen.

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3. Einsatzmöglichkeiten der Verfilmung von To Kill a Mockingbird im EU

Die Verfilmung von Harper Lees Roman To Kill a Mockingbird stammt aus dem Jahre 1962 unter der Regie von Robert Mulligan, mit Gregory Peck in der Rolle des Atticus Finch. Der Einsatz dieser Verfilmung im Unterricht kann insoweit eine zusätzliche Interpretations- und Verständnishilfe zum Romantext darstellen, als der Film in "realistischer" Weise das Leben in einer Kleinstadt der Südstaaten der USA in den 30er Jahren visuell veranschaulicht und das dortige gesellschaftliche Gefüge mit seinen Traditionen, Werten und Normen illustriert. Aus diesem Grund ist der Film ein wichtiger Beitrag zum Verständnis des Romans in inhaltlicher und kultureller Hinsicht, während die Schulung des Hör- und Sehverständnisses einen zusätzlichen positiven Nebeneffekt bewirkt.

Der Film zeigt die sozialen Verhältnisse in Maycomb in unmittelbarerer Weise, als sie durch die Lektüre des Romans deutlich werden können. Das liegt vor allem daran, dass die Erzählerin Scout im Roman keine auktoriale Erzählerin ist. Stattdessen gibt sie oft ihre Eindrücke aus ihrer eigenen begrenzten Perspektive als Kind wieder, so dass der Leser an vielen Stellen Interpretationslücken füllen muss. Außerdem wird in dem Roman vieles als "kulturell selbstverständlich" vorausgesetzt und dargestellt und nicht von einer neutralen Erzählerfigur ausführlich erklärt. Da den Schülern bei der Romanlektüre - trotz intensiver inhaltlicher und sachlicher Vorbereitung - letztlich die persönliche Kenntnis und daher das Vorstellungsvermögen für die fremde Romanwelt und die erzählte Zeit fehlen, kann der Film durch sein visuelles Interpretationsangebot einen zusätzlichen Beitrag zum Verständnis des Romans leisten.

Besonders die sozialen Beziehungen und Trennungen in Maycomb werden den Schülern durch den Film anschaulicher gemacht, so z.B. durch die Wahl der Schauspieler (Sympathieträger/Negativfiguren), durch den Umgang der Charaktere untereinander (Wohlwollen, Ablehnung - ausgedrückt auch durch die Körpersprache), durch die Ausstattung (Illustration der Lebenswelt im Alabama der 30er Jahre, z.B. Häuser, Kleidung, Fahrzeuge etc.), durch die Art der Sprache (als Hinweis auf soziale Unterschiede) usw. Da der Film also den kulturellen Hintergrund illustriert, der im Buch beschrieben wird, ist es für die Schüler einfacher, diesen anhand der universalen Sprache von Bildern nachzuvollziehen.

Ähnliches gilt für die Dialoge: Während im Buch die Sprache und der Dialekt, u.a. der Schwarzen und der unteren Schicht, in schriftlicher Form reproduziert werden, zeigt der Film diese in ihrer realisierten Form und in ihrem "authentischen" Kontext. Voraussetzung für das Verständnis dieser Dialoge ist natürlich, dass der Roman zuvor eingehend auf sprachliche Probleme hin besprochen wurde und die Schüler somit auf den gesprochenen Dialog vorbereitet sind. Eine Hilfe beim Verständnis der Sprache in ihrer gesprochenen Realisierung sind aber vor allem Gestik und Mimik der Schauspieler wie auch Intonation und Klangfarbe des Gesprochenen sowie nicht zuletzt die Tatsache, dass die Dialoge im Film einigermaßen geordnet sind, also keine hastigen, sich überschneidenden Wortduelle stattfinden. Der ganze Film läuft mit einer relativen Langsamkeit des Handlungsgeschehens ab, so dass keine Überlastung der Schüler im Hinblick auf die Handlungsstränge und -ebenen bestehen dürfte.

Die Handlungsstränge des Buches sind im Film auf zwei Hauptthematiken reduziert: das von den Kindern erforschte "Phantom" Boo Radley und das Gerichtsverfahren gegen Tom Robinson. Wie im Buch bilden diese beiden Haupthandlungsstränge im Film etwa gleich große aufeinanderfolgende, sich aber auch teilweise überlagernde Teile, die am Schluss zusammengeführt werden. Während jedoch im ersten Teil des Films die Kinder im Vordergrund stehen und das Handlungsgeschehen gewissermaßen tragen, treten sie im zweiten Teil überwiegend hinter der Figur des Atticus zurück, die nun das Geschehen weitgehend dominiert.

Es bietet sich also an, im Unterricht auf die beiden Hauptthematiken des Films näher einzugehen. Das schließt ein, dass zunächst nicht das Filmganze gezeigt wird, was eine Ablenkung durch die emotional gefärbten Füllszenen bedeuten könnte, sondern zunächst nur thematische Schlüsselszenen, die unter bestimmten Leitfragen betrachtet und diskutiert werden. Die Voraussetzung dafür ist, dass die entsprechenden Buchpassagen gelesen und auf Verständnisprobleme hin besprochen worden sind. Die Filmszenen können dann als Hilfsmittel zur vertiefenden Besprechung der Thematiken des Buches herangezogen werden. Die folgenden Unterrichtsvorschläge beziehen sich auf drei Doppelstunden und eine Einzelstunde, können aber durch weitere Filmausschnitte beliebig erweitert werden.

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3.1 Einstieg: Vorspann und Exposition

Bevor eine eingehendere Besprechung der thematischen Haupthandlungsstränge des Films durchgeführt wird, sollte als Einstieg in den Film auf die Exposition von main characters, setting/locality, point of view, atmosphere wie auch auf die Einführung der Hauptthematiken Boo Radley und Tom Robinson eingegangen werden. Zusammen mit zwei ausgewählten Filmausschnitten bietet sich dies für eine Doppelstunde an. Als Vorbereitung ist es notwendig, dass zumindest der erste Teil des Buches gelesen worden ist.

Einen ersten Einstieg bietet der zwei Minuten lange Vorspann des Films, bei dem als Hintergrund für die credits zum Einen eine Zigarrenkiste mit Spielzeug gezeigt wird, zum Anderen eine Kinderhand, die einen Vogel malt, beides begleitet vom Summen einer Kinderstimme. Mit einem schwarzen Wachsmalstift wird zudem der Filmtitel wie beim brass-rubbing sichtbar gemacht, der sich somit weiß von dem schwarzen Hintergrund abhebt. Nach der Vorführung dieser Sequenz sollen die Schüler zunächst aufgrund ihrer bisherigen Kenntnis des Romaninhalts versuchen, den Objekten in der Zigarrenkiste ihre inhaltliche Bedeutung zuzuordnen. Sie sollen herausfinden, dass es die Dinge sind, die Jem und Scout in einem Astloch vor dem Haus der Radleys finden und dass somit durch die Plazierung der Objekte in den Vorspann ihre zentrale Bedeutung - bzw. die ihres Gebers - für das Filmgeschehen deutlich gemacht werden soll.

Auch die symbolische Bedeutung der Kinderhand, die in schwarzem Wachsmalstift einen Vogel malt und ihn zum Schluss durchstreicht und -reißt, kann im Hinblick auf den Titel des Films thematisiert werden. Die Schüler sollen zum Einen auf die Verbindung des Vogels mit dem Terminus "mockingbird" stoßen und zum Anderen aus der Kinderhand und der Kinderstimme auf die Erzählung des Films aus Scouts - und teilweise auch Jems - Perspektive schließen. Das Durchstreichen und -reißen des Bildes deutet auf die durch Rassenvorurteile zerrissene Gesellschaft hin und wirft seine Schatten voraus auf die Verurteilung und schließlich den Tod des mockingbird Tom Robinson.
Daneben ist auf die Schwarz-Weiß-Symbolik des Vorspanns einzugehen, die sich sowohl in der Zeichnung des Titels und des Vogels zeigt als auch in der gestreiften Murmel, die durch das Bild rollt und schließlich an eine schwarze Murmel anstößt. Dies antizipiert die Turbulenzen zwischen bzw. das Aufeinanderstoßen von Schwarz und Weiß im Film, wie auch die Willkürlichkeit des Urteils über die Schwarzen von Seiten von Maycombs weißer Bevölkerung.

Der Trennung, die durch die Gesellschaft geht, zeigt sich wiederum in dem schwarzen Strich, den die Kinderhand in Wachsmalstiften auf das Papier malt. Die Beobachtungsergebnisse wie auch ihre symbolische Bedeutung können in einem Schema an der Tafel festgehalten werden. Daraus folgernd könnte die Frage erörtert werden, welche Funktion diesem Vorspann im Hinblick auf das folgende Filmgeschehen zukommt, nämlich primär die Vorausweisung auf den Schwarz-Weiß-Konflikt des Films. Ziel dieses Einstiegs ist es daneben vor allem, schon zu Beginn der Filmbesprechung die Schüler zu sprachlicher Aktivität anzuregen (warming-up) sowie sie auf die zentrale Bedeutung und die Symbolkraft von Filmdetails aufmerksam zu machen.

So ertragreich diese Diskussion sein kann, so sollte sie doch nicht mehr als 15-20 Minuten in Anspruch nehmen, da aus Gründen des thematischen Zusammenhangs die Exposition von characters, setting etc. angeschlossen werden sollte. Die folgenden 15 Filmminuten enthalten die Darstellung von Maycomb und der Hauptpersonen: Atticus, Scout, Jem, Dill, Calpurnia, Miss Maudie und Richter Taylor sowie Mr Cunningham als Vertreter der poor whites und Miss Stephanie als Vertreterin des "Maycomb gossip". Daneben werden die Hauptthematiken des Films eingeführt: das "Phantom" Boo Radley und der erste Hinweis auf das Gerichtsverfahren gegen Tom Robinson. Die Schüler werden angeleitet, in Kleingruppen verschiedene Beobachtungsfragen zu berücksichtigen, unter denen sie den Filmausschnitt betrachten sollen. Dabei könnten folgende Fragen gestellt werden:

  • What impressions of Maycomb do we get in the film?
  • How are the main characters introduced?
  • What do the characters represent? What picture of class values do we get?
  • What kind of relationship do the characters show to one another?
  • Scout/Jem - Atticus
  • Scout/Jem - Calpurnia
  • Scout - Mr Cunningham
  • Atticus - Mr Cunningham
  • Atticus - Mrs Dubose
  • Atticus - Richter Taylor
  • How is Boo Radley introduced and what kind of information do we get?

Die Beobachtungsergebnisse können anschließend zusammengetragen und diskutiert werden. Da sich die Ergebnisse z.T. überschneiden können, besteht auch für Schüler anderer Aufgabengruppen die Möglichkeit, sich an der Diskussion einer anderen Beobachtungsfrage zu beteiligen. Eines der inhaltlichen Ziele ist hier, die visuelle Umsetzung der Beschreibung Maycombs im Buch als "small world", "tired old town" [in which] "people move slowly" (p. 5) zu erkennen: Nicht nur die leeren Straßen und die unbewegte Atmosphäre, sondern auch die Tatsache, dass die Kinder die einzigen sind, die etwas mehr Bewegung zeigen, weisen auf die geistige Trägheit und Festgefahrenheit der meisten Bewohner hin. Die Schüler sollen erkennen, dass die Darstellung des Ortes bereits auf die Mentalität seiner Bewohner hindeutet.

Weiterhin sollen die Schüler durch die Einführung der Charaktere deren repräsentative bzw. symbolische Rollen sowie durch die Darstellung ihrer Beziehung untereinander das soziale Gefüge in Maycomb erkennen: So z.B. die unvoreingenommene Haltung der Finch-Familie gegenüber den poor whites (Mr Cunningham) und den Schwarzen (Calpurnia) und damit ihre "Pionier-Rolle" in einer in Traditionen erstarrten Umgebung, die sichtlich verlegene Bitte von Richter Taylor an Atticus zur Verteidigung Tom Robinsons und damit den Charakter des Gerichtssystems, oder die Funktion von Miss Stephanie, die in die Mutmaßungen der Kinder über Boo Radley einstimmt, womit gezeigt wird, dass die Mehrheit der Bevölkerung Maycombs auf einer kindlichen - da unwissenden - Entwicklungsstufe stehengeblieben ist. In diesem Zusammenhang sollte darauf hingewiesen werden, dass der Zuschauer über Boo Radley keine objektiven Informationen erhält, sondern nur durch Miss Stephanies Gerüchte und die phantastischen Vorstellungen der Kinder etwas über ihn erfährt. (Miss Stephanie: "There's a maniac lives there and he's dangerous."; Jem: "He eats raw squirrels and all the cats he can catch ...".)

Die Figur des Atticus ist für die Analyse des Filmgeschehens von besonderer Bedeutung. Die Schüler sollen seine Unvoreingenommenheit und sein Verständnis für Leute wie Mr Cunningham, Mrs Dubose oder Boo Radley erkennen wie auch seine Bereitschaft, den Fall Tom Robinsons anzunehmen, was auf sein ethisches Credo als Rechtsanwalt hindeutet, alle Menschen vor dem Gesetz als gleichberechtigt anzusehen. Darüber hinaus sollen die Schüler erkennen, dass Atticus im Film eine herausgehobene Stellung einnimmt: Er fällt gleich zu Beginn durch seine sachliche und höfliche Haltung gegenüber seinen Nachbarn wie auch durch die geduldige Behandlung seiner Kinder auf. Seine Nachdenklichkeit, wie sie sich am Abend auf der Veranda zeigt, unterscheidet ihn ebenfalls vom Rest der Bevölkerung Maycombs, die, ohne zu zögern, festgefahrene Urteile über andere Leute fällt und Gerüchte in die Welt setzt. Durch sein Äußeres (heller Anzug, Uhrkette, Brille, Aktentasche etc.) wird er daneben zusätzlich von den anderen Filmcharakteren abgehoben und damit zu etwas über ihnen Stehendem gemacht. Aus diesen Ergebnissen kann schließlich eine zusammenfassende Hausaufgabe gestellt werden unter der Frage: Is Atticus a part of the world portrayed in the film?

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3.2 Das "Phantom" Boo Radley

Die Besprechung der folgenden Filmsequenz bezieht sich auf die Darstellung des "Phantoms" Boo Radley. Gezeigt werden soll die Szene, in der Scout, Jem und Dill am Abend eine Pirsch zum Haus der Radleys unternehmen. Der Filmausschnitt könnte dabei bereits nach der Lektüre der entsprechenden Passage im Buch (chapter 6) eingesetzt werden. Da der Filmausschnitt eine Länge von nur ca. 9 Minuten hat, ist die Besprechung für eine Einzelstunde geeignet. Die Schüler sollen - diesmal in Einzelarbeit - den Ausschnitt unter folgenden Leitfragen ansehen:

  • What picture of the 'phantom' Boo Radley do we get?
  • How is tension being created in the film?

Die Schüler sollen erkennen, dass hier typische Elemente des Horrorfilms (dunkles, verwahrlostes Haus, knarrende Dielen und Gatter, Schatten von Bäumen, übergroße Silhouette einer Person sowie dissonante Hintergrundmusik) benutzt werden, um Spannung zu erzeugen. Die sich bewegende, quietschende Schaukel suggeriert zudem die unsichtbare Anwesenheit des "Phantoms" Boo Radley. Die Schüler sollen erkennen, dass durch diese Szene ein Bild von Boo Radley erzeugt wird, das den Vorstellungen der Kinder wie auch den Gerüchten in Maycomb entspricht. Sie sollen daraus schließen, dass die Szene ausschließlich aus der Perspektive der Kinder gezeigt wird. Die Dunkelheit und die Schatten als Symbole von Unwissenheit und Unkenntnis können dabei ein wegweisendes Hilfsmittel sein. Gleichzeitig soll den Schülern bewusst werden, dass der Zuschauer in dieser Szene durch die filmische Gestaltung fast unmerklich gezwungen wird, die Vorstellungen der Kinder über Boo Radley zu teilen, und dadurch gleichzeitig wie die Kinder den Wunsch erhält, mehr über ihn zu erfahren.

Als Hausaufgabe sollen die Schüler folgende Fragen beantworten: Try to imagine why the film focusses on Boo Radley. What is the function of this scene? Dabei sind verschiedene Antworten zu erwarten, die in der folgenden Stunde diskutiert werden können. Obgleich die Schüler das Romanende noch nicht kennen, können sie vielleicht bereits vermuten, dass Boo Radley im Filmgeschehen noch eine entscheidende Rolle spielen wird. Dies wurde ja bereits aus der Kurzanalyse des Vorspanns deutlich. Zum Anderen könnten die Schüler vermuten, dass Boo Radley sich am Schluss als ganz anders erweist, als es sich die Kinder vorstellen. In diesem Zusammenhang sind auch Antworten möglich, die sich auf den Wissensdrang der Kinder beziehen und ihre wachsende Erkenntnis im Verlauf des Films antizipieren. Eine weitere mögliche Antwort könnte auf die Funktion der Szene innerhalb der Spannungsbewegung des Film hinweisen.

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3.3 Das Gerichtsverfahren gegen Tom Robinson

Wie die trial scene im Roman fast die ganze zweite Hälfte des Buches einnimmt, so dominiert auch die Szene des Gerichtsverfahrens den zweiten Teil des Films. Sie lehnt sich dabei so weit an die Buchvorlage an, dass ganze Buchpassagen im Wortlaut in den Filmdialog übernommen werden. Es bietet sich daher an, den Einsatz des Filmausschnitts im Zusammenhang mit der eingehenderen Besprechung der Romanpassage (chapters 17-21) erfolgen zu lassen, da in ihm wichtige Anhaltspunkte zu einem fundierteren Verständnis der Thematik gegeben werden. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Besprechung ist hier wiederum, dass die trial scene des Buches bereits gelesen und Verständnisschwierigkeiten behoben wurden. Aufgrund der Dauer der Filmszene von 37 Minuten ist es notwendig, die Besprechung in einer Doppelstunde erfolgen zu lassen.

Vorbereitend zum Verständnis der Szene könnte zunächst kurz das amerikanische Gerichtssystems analysiert werden - soweit dies im Zusammenhang mit der Lektüre der Romanpassage noch nicht erfolgt ist. Die Schüler sollen damit die wichtigsten Teilnehmer in einem Gerichtsverfahren aufzeigen, um später besser die Rechtmäßigkeit bzw. die Unrechtmäßigkeit im Verfahren gegen Tom Robinson beurteilen zu können. Zu Beginn könnte die Frage stehen: What do you know about the American court system?
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Schüler - schon durch die Romanlektüre - Kenntnisse über das US-Rechtssystem besitzen oder bereits den einen oder anderen Film mit einem Gerichtsverfahren als Handlungsinhalt gesehen haben. Eine zusätzliche Frage könnte lauten: Who takes part in a trial? Als Antworten sollen die Begriffe judge, jury, solicitor/state prosecutor, defence lawyer, defendant, evidence und witness(es) sowie ihre Funktionen zusammengetragen werden. Gleichzeitig sollen die Schüler aufgrund ihrer Romankenntnis den Begriffen die Personen des Romans zuordnen.

Als Beobachtungskriterium für den Film sollen die Schüler besonderes Augenmerk auf die einzelnen Charaktere legen. D.h. sie sollen sowohl outer appearance, conduct und language von Atticus, dem Staatsanwalt, der Jury, Bob Ewell, Mayella und Tom Robinson analysieren und damit die Kontraste zwischen der ruhigen, sachlichen Erscheinung des Atticus und der arroganten, rassistischen Haltung des Staatsanwalts erkennen, wie auch den Gegensatz zwischen äußerer Erscheinung, Sprache und Verhalten der Ewells und dem würdevollen Auftreten Toms. Ausgehend von diesen Ergebnissen kann der Lehrer dann folgende weiterführende Fragen stellen:

  • What is striking about the jury? What social class do the members come from? Why does the jury consist of these people?
  • What is so striking about the whole trial?
  • What evidence is there against Tom Robinson?
  • What is the verdict based on?
  • Why does the jury plead guilty?
  • What picture of the Blacks do we get in the courtroom in contrast to the Whites?
  • Do we still see the events from the children´s perspective?

Die Schüler sollen erkennen, dass hier das gesamte Gerichtsverfahren in Frage gestellt wird, da in der Jury nur lower class farmers sitzen, die schließlich aus ihren eigenen Vorurteilen heraus das Urteil fällen. Es soll den Schüler auffallen, dass keine Frauen, Schwarzen oder Angehörigen der Mittel- oder Oberschicht in der Jury vertreten sind. Als Beleg für den Grund kann wiederum die Romanvorlage herangezogen werden, wo klargestellt wird, dass Frauen und Schwarze laut Gesetz von der Jury ausgeschlossen sind, und daneben Weiße der Mittel- und Oberschicht nicht in der Jury vertreten sind, da sie "not interested" oder sogar "afraid" sind, dass ihnen aus einem Einspruch gegen die Verurteilung Tom Robinsons gesellschaftliche Nachteile in Maycomb entstehen könnten (p. 244). Daneben sollen die Schüler feststellen, dass das Verfahren in "Aussage gegen Aussage" endet, dieses jedoch für eine Verurteilung Tom Robinsons ausreicht. Einem black man wird ein ordentliches Gerichtsverfahren also erst gar nicht ermöglicht. Er wird nur aufgrund seiner Hautfarbe und den damit verbundenen rassistischen Vorurteilen schuldig gesprochen, obgleich er erwiesenermaßen unschuldig ist.

Die Tatsache, dass Tom Robinson hier das eigentliche Opfer einer Verleumdung ist, wird schon durch Atticus' Frage an Tom im Zeugenstand deutlich: "Tom, what happened to you on the night of 21st August?" Es soll den Schülern auffallen, dass der Film während der gesamten Gerichtsszene nicht mehr aus der Perspektive der Kinder, sondern aus einer auktorialen, d.h. der des Regisseurs, erzählt wird, wodurch die Universalität der Aussage unterstrichen wird. Dies wird zusätzlich noch dadurch unterstützt, dass Atticus während seines Abschlussplädoyers an die Jury in die Richtung der Kamera und damit der Filmzuschauer spricht. Die Zuschauer werden also zu einer Stellungnahme gezwungen und sollen wie eine Gerichtsjury die eigentliche Entscheidung fällen.

Des Weiteren soll den Schülern bewusst gemacht werden, dass hier ein Bild von Schwarz und Weiß erzeugt wird, welches das gängige Selbstbild der Weißen ins Gegenteil umkehrt: Durch die Kontrastierung der würdevollen und um Fassung ringenden Haltung Tom Robinsons mit dem unverschämten und aggressiven Verhalten Bob Ewells und der ungepflegten Erscheinung Mayellas wie auch durch den Kontrast ihrer jeweiligen Sprache erweist sich Tom eindeutig als der zivilisiertere und gebildetere - trotz seiner gesellschaftlichen Schlechterstellung. Auch die Reverenzerweisung der Schwarzen auf der Galerie gegenüber Atticus, während die weißen Zuschauer bereits eilig den Saal verlassen haben, zeigt die Schwarzen als diejenigen mit mehr Anstand und Würde. Schon ihre Freundlichkeit und Höflichkeit, als sie den weißen Kindern Plätze auf der Galerie freimachen, weist in diese Richtung.

Diese Kontrastierung könnte in eine kreative Hausaufgabe umgewandelt werden. Es könnte die Aufgabe gestellt werden, einen Bericht des Gerichtsverfahrens a) aus der Sicht eines schwarzen Zuschauers, b) aus der Sicht eines der Jurymitglieder oder c) aus der Sicht Bob Ewells zu schreiben. Die Wahl hierbei sei den Schülern freigestellt. Interessant sind dann in der folgenden Stunde nicht nur die einzelnen Ergebnisse, sondern auch, für welche Option sich die Mehrheit der Schüler entschieden hat und aus welchem Grund. Zudem ist durch diese Aufgabe kontrollierbar, inwieweit die Schüler die einzelnen Standpunkte der dargestellten Charaktere bzw. Gruppen verstanden haben.

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3.4 Der Film in seiner Gesamtlänge

Als Abschluss der Unterrichtsreihe zu To Kill a Mockingbird besteht die Möglichkeit, die gesamte Verfilmung noch einmal zu zeigen, um sie in ihrer Ganzheit wirken zu lassen. Dies hängt jedoch von der Motivation der Schüler ab, die ja - zeitlich gesprochen - bereits die Hälfte des Films gesehen haben. Da allerdings - wie oben ausgeführt - zu erwarten ist, dass die Schüler den Einsatz des Mediums Film befürworten und für interessant, da abwechslungsreich, halten, ist anzunehmen, dass fehlende Motivation nicht zu befürchten ist. Aufgrund der Länge des Films von etwas über zwei Stunden ist es notwendig, ihn in einer Doppelstunde zu zeigen. Um dabei die noch fehlenden 30 Minuten zu gewinnen, könnte mit den Schülern abgesprochen werden, die vorhergehende und die nachfolgende großen Pausen miteinzubeziehen. Alternativ könnte die lange Gerichtsszene ausgespart oder nur ansatzweise gezeigt werden, wenn sie im Unterricht bereits detailliert und gewinnbringend besprochen wurde.

Das Zeigen des Film stellt hierbei nicht einen reinen Unterhaltungswert dar. Die Schüler sollen stattdessen nach ihrer Lektüre des ganzen Buches noch einmal einen visuellen Mitnahmeeffekt erhalten. Da visuelle Materialien oft einen höheren Erinnerungswert besitzen, behalten die Schüler somit nicht nur die einzelnen Charaktere (da sie Identifikationsträger bzw. Negativfiguren sind) besser im Gedächtnis, sondern auch die mit ihnen assoziierten Thematiken des Buches, die im Unterricht besprochen wurden. Daneben trägt der oft emotional ausgerichtete Film auch dazu bei, Stimmungen und Gefühle zu erzeugen, die den Schülern vielleicht beim Lesen des Buches entgangen sind, so dass durch den Film ein Gefühl des tatsächlichen Miterlebens hervorgerufen werden kann.

Abschließend kann der Lehrer noch die Frage nach dem Urteil der Schüler über den Film stellen. Interessant ist sicherlich, was den Schülern besonders gefallen hat und woran sie Kritik üben. Auf jeden Fall wird durch das Zeigen des Filmganzen ein neues Interpretationsangebot des Romans gegeben, das die Schüler - vielleicht auch nur unbewusst - zu einer längerfristigen Auseinandersetzung mit dem Buch bzw. dem Film führen kann.

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Schlussbemerkung

Es wurde deutlich, dass Originalspielfilme im EU allgemein ein großes Motivationspotential enthalten und zugleich zur Erweiterung der kommunikativen und kulturellen Kompetenz der Schüler beitragen können. Nicht nur die aktive und die passive Sprachfertigkeit können durch die Auseinandersetzung mit dem fremden Idiom wie auch mit dem Filminhalt an sich geschult werden. Daneben werden kulturelles Sachwissen, Problembewusstsein wie auch kritisches Urteilsvermögen aufgebaut und erweitert. Dies ist allerdings von einer gründlichen Vorarbeit wie auch vom Engagement des Kurslehrers abhängig.

Die Verfilmung von To Kill a Mockingbird kann dabei insbesondere den kulturellen Hintergrund des Romans, also das Leben in einer Kleinstadt in den Südstaaten der 30er Jahre, anschaulich machen. Daneben können auch Thematiken der Romanvorlage eindringlicher dargestellt werden, als dies bei der Lektüre des Buches der Fall sein kann. So wird durch die visuelle Darstellung der Charaktere ihre inhaltliche und symbolische Bedeutung unterstrichen und die Trennung verdeutlicht, die durch die Gesellschaft im Roman geht. Am eindringlichsten ist dabei die Darstellung der Umkehrung von traditionellen Werten in einer in Tradition erstarrten Gesellschaft veranschaulicht. Daneben besitzt der Film eigene wirkungsvolle Mittel, um bestimmte Standpunkte mit filmischen Mitteln zu verdeutlichen. Der Film kann also durch sein visuelles Interpretationsangebot einen zusätzlichen Beitrag zum Romanverständnis der Schüler leisten. Filme im EU haben also keinen reinen Unterhaltungswert, sondern können durch den überlegten Einsatz durch den Kurslehrer zu einem erhöhten Lernergebnis führen.

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Fußnoten

(1) Im folgenden werden Literaturhinweise in abgekürzter Form angegeben. Ausführliche bibliographische Angaben finden sich im Literaturverzeichnis.
(2) Vgl. Baddock, "Using Cinema Films in Foreign Language Teaching", S. 270.
(3) Stiller, "Texte und ihre Verfilmungen", S. 4.
(4) Ebd., S. 5.
(5) Baddock, "Using Cinema Films in Foreign Language Teaching", S. 272 f.
(6) Grindhammer, "Filmed Versions of American Literary Works", S. 96.
(7) Baddock, "Using Cinema Films in Foreign Language Teaching", S. 276.
(8) Grindhammer, "Filmed Versions of American Literary Works", S. 97.
(9) Angemerkt sei hier, dass der Anspruch der Darstellung einer "authentischen" Wirklichkeit insofern relativiert werden muss, da jeder Film ein Produkt der Kreativität und der Weltsicht seines Regisseurs ist, der mit der Darstellung ein bestimmtes Ziel verfolgt. Daher muss auch im Unterricht darauf hingewiesen werden, dass ein Film zwar "realistisch" sein kann, ohne aber gleichzeitig ein getreues Abbild der Wirklichkeit zu sein.
(10) Burger, "Zur Analyse von Video-Spielfilmen im fortgeschrittenen Englischunterricht", S. 171.
(11) Stiller, "Texte und ihre Verfilmungen", S. 4.
(12) Ebd. S. 8.
(13) Grindhammer, "Filmed Versions of American Literary Works", S. 105.
(14) Stiller, "Texte und ihre Verfilmungen", S. 6.
(15) Ibid.
(16) Bei den Aufgabenstellungen sollte eher die inhaltliche Erarbeitung des Films im Vordergrund stehen und weniger eine - mit der Einführung von Fachtermini verbundene - konkrete Filmanalyse. Dies kostet nicht nur wertvolle Unterrichtszeit, sondern lenkt zudem von der Behandlung der Roman- und Filmthematik als solcher ab.
(17) Siehe Burger, "Zur Analyse von Video-Spielfilmen im fortgeschrittenen Englischunterricht", S. 172; Stiller, "Texte und ihre Verfilmungen", S. 5; Baddock, "Using Cinema Films in Foreign Language Teaching", S. 271.
(18) Stiller, "Texte und ihre Verfilmungen", S. 6.
(19) Burger, "Zur Analyse von Video-Spielfilmen im fortgeschrittenen Englischunterricht", S. 172.

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Literaturverzeichnis

Lee, Harper, To Kill a Mockingbird, London: Mandarin, 1989 (1. Aufl. 1960)

Baddock, Barry, "Using Cinema Films in Foreign Language Teaching", Praxis 36 (1989), S. 270-277.

Burger, Günter, "Zur Analyse von Video-Spielfilmen im fortgeschrittenen Englischunterricht", Die Neueren Sprachen 82 (1983), S. 169-182.

Grindhammer, Lucille, "Filmed Versions of American Literary Works in Advanced English Language Courses", Anglistik und Englischunterricht 13 (1981), S. 95-107.

Stiller, Hugo, "Texte und ihre Verfilmungen", Der fremdsprachliche Unterricht 24 (1990), Heft 99, S. 4-10.

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