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Unterhaltungsliteratur




Jerome K. Jerome, Three Men in a Boat (1889)

Dieser bereits Ende des 19. Jahrhunderts erschienene Roman ist ein Klassiker des britischen Humors, der sich auch heute noch bei Lesern aller Altersstufen großer Beliebtheit erfreut. Drei Freunde, die ausnahmslos mehr oder minder eingebildete Kranke sind, beschließen, gemeinsam etwas für ihre körperliche Verfassung bzw. sportliche Fitness zu unternehmen und planen unverzüglich eine ausgedehnte Rudertour auf der Themse, die sie von Kingsley (in der Nähe von London) stromaufwärts bis nach Oxford führen soll.

Schon die Reisevorbereitungen erweisen sich als sehr kompliziert, denn es stellt sich heraus, dass die Freunde in solchen Dingen nicht nur gänzlich unerfahren, sondern auch reichlich lebensunpraktisch veranlagt sind. Aber mit ihrem guten Willen überwinden sie alle Startschwierigkeiten, und als sie sich endlich auf dem Boot befinden, das für vierzehn Tage ihr Zuhause werden soll, häufen sich die Probleme bei der alltäglichen Daseinsbewältigung. Ob es um so elementare Dinge geht wie das Kartoffelschälen oder die Zubereitung von Rührei, um das Öffnen einer Konservendose oder das Aufziehen des Zeltdachs: mit schier unerschöpflicher Vorstellungskraft schildert der Autor eine Fülle von komisch-komplizierten Situationen.

Einerseits wird dabei das eigene Versagen durch einen entsprechenden rhetorischen Aufwand kompensiert, andererseits aber auf Seiten der beiden Übrigen mit unverhohlener Schadensfreude begleitet. So entsteht ein dichtes Netz aus Situations-, Figuren- und Sprachkomik. In dieser fassettenreichen Schilderung menschlicher und allzu menschlicher Aspekte teilen die drei Freunde ein Merkmal: sie alle betonen die eigene Einsatzbereitschaft und die eigene Leistung für das gemeinsame Unternehmen.

Wer diesen Roman lesen möchte, sollte keine zusammenhängende Handlung erwarten, die eine steigende Spannungskurve aufweist. Anstelle eines Kausalprinzips zwischen fiktiven Geschehnissen und ihrer Motivation in den Charakteren ist ein anderes Kompositionsprinzip dominant: das Gesetz der Assoziation. So wird die Schilderung der gegenwärtigen fiktiven Ereignisse ergänzt durch historische Episoden, Geschichten aus dem eigenen bisherigen Leben und überlieferte Anekdoten, die Englands vergangene Größe oder eigenes ruhmreiches Verhalten widerspiegeln sollen. Dass die zahlreichen Abschweifungen häufig in einem schroffen Kontrast zur öden Gegenwart stehen, erhöht noch die komische Wirkung. So wird es verständlich, dass Jerome mit diesem Werk der literarische Durchbruch gelang und dass er zugleich auf die Rolle des humoristischen Schriftstellers festgelegt wurde.

Im Augenblick liegt der Roman in einer Schulausgabe (Reclam) vor, die neben Nachwort und benutzerfreundlichen Annotationen in Fußnotenform auch eine geographische Karte aufweist, welche die einzelnen Stationen der Reise verdeutlicht und somit stets eine mühelose Orientierung ermöglicht. Das Werk ist etwa von der Jahrgangsstufe 11/2 an gut zur Entwicklung des extensive reading einzusetzen und bietet auch mehr als 100 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung ein ungetrübtes Lesevergnügen.


Evelyn Waugh, Decline and Fall (1928)

Dieser frühe Roman Evelyn Waughs erzählt die Geschichte des zur Passivität neigenden Theologiestudenten Paul Pennyfeather, der eine Reihe von merkwürdigen Abenteuern erlebt. Anlässlich einer akademischen Feier mit reichlichem Alkoholgenuss wird Pennyfeather in einen Tumult verwickelt, in dem er zeitweise seine Hose verliert, und daraufhin muss er wegen unschicklichen Verhaltens sein weiteres Studium aufgeben. Mit Hilfe einer Agentur findet er eine Anstellung in einer Schule in Wales, die von einem gewissen Dr Fagan geleitet wird. Hier arbeiten viele Lehrer ohne fachliche und pädagogische Ausbildung, so beispielsweise der Hochstapler und Scheckbetrüger Mr Philbrick oder der Kriegsveteran Mr Grimes.

Die erste Pflicht aller Lehrer ist, die Klassen ruhig zu halten, und da ein solches Ziel bei den disziplinlosen Schülern nicht immer leicht zu erreichen ist, beziehen diese auch schon mal kräftig Prügel. Anlässlich eines Sportfestes, das als prestigeträchtiges Ereignis mit großem Aufwand geplant wurde, trifft den Schüler Tangent eine verirrte Kugel aus der Starterpistole ins Bein. Daraufhin wird er zunächst mit einem großen Stück Kuchen vertröstet, später ist jedoch eine Amputation erforderlich, die Tangent nicht überlebt. Als der Kollege Grimes sich wieder einmal in einem Dilemma befindet, schafft er es, die älteste Tochter des Schulleiters zur Heirat zu bewegen. Doch wird der ständige Ärger mit seinem Schwiegervater für Grimes sehr rasch unerträglich. Er verlässt seine Frau, flieht aus der Schule und täuscht einen Selbstmord vor.

Paul Pennyfeathers Schicksal indes scheint sich zum Guten zu wenden. Die steinreiche Mutter eines seiner Schüler, Mrs Margot Beste-Chetwynde, lädt ihn auf ihren Landsitz ein, und die beiden kommen überein zu heiraten. Doch unmittelbar vor der Hochzeit wird Pennyfeather verhaftet und in seinem sich anschließenden Prozess zu sieben Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Erst allmählich wird im Text der Hintergrund für diese Entwicklung deutlich. Mrs Margot Beste-Chetwynde hatte von ihrem Großvater und Vater eine Reihe von zweifelhaften Etablissements übernommen, die sich in Südamerika befanden und für die sie in England Arbeitskräfte anwarb. In diese Aktivitäten war Pennyfeather verwickelt, und da er es vor Gericht vorzog, lieber die Schuld auf sich zu nehmen als seine künftige Frau zu kompromittieren, wurde er wegen Menschenhandels und Prostitution verurteilt.

Im Gefängnis herrschen sehr strenge Vorschriften. Allerdings versucht ein progressiver Anstaltsleiter, auf die individuellen Fälle seiner Häftlinge einzugehen, mit dem Erfolg, dass der Gefängnisgeistliche Mr Prendergast, ein ehemaliger Kollege Pennyfeathers, umgebracht wird. Ebenso trifft Pennyfeather auf den totgeglaubten Grimes, der wegen Bigamie einsitzt, eines Tages aber fliehen kann. Paul Pennyfeather selbst fühlt sich im Gefängnis ausgesprochen wohl, denn er ist versorgt, darf jede Woche die Bibel und ein weiteres Buch lesen und braucht keine einzige persönliche Entscheidung zu fällen. Margot versucht zudem alles, um ihrem Verlobten die Haft zu erleichtern. Schließlich gibt sie dem Werben eines einflussreichen Mannes nach, der verspricht, im Falle der Heirat Paul aus dem Gefängnis zu holen. Und so geschieht es: eines Tages wird er zu einer 'Blinddarmoperation' abgeholt, bei der er offiziell stirbt. In Wirklichkeit wird er mit einer Yacht zu Margots Haus nach Korfu gebracht. Schließlich nimmt er unter neuer Identität sein Studium wieder auf. So kommt es für Paul doch noch zu einem halbwegs glücklichen Ende.

Paul Pennyfeather ist der perfekt angepasste, naive Protagonist des Romans, der in mancherlei Hinsicht an Voltaires Candide erinnert. Trotz aller Turbulenzen in seinem Leben bleibt er stets optimistisch und zufrieden. Doch so unwahrscheinlich wie die Konzeption der Hauptfigur ist auch die Darstellung der Realität. Die Todesfälle (Tangent und Mr Prendergast) werden nur beiläufig erwähnt, das Waliser Schulsystem, das gesellschaftliche Leben und der Strafvollzug aber erfahren eine verzerrt übertriebene Schwarz-Weiß-Darstellung: sie erinnert an eine vereinfachende, ironische Karikatur, bei der letztlich die heiteren Töne überwiegen. Das Ergebnis ist ein amüsanter Roman mit einem gewissen Unterhaltungswert, der keine überhöhten sprachlichen Anforderungen an den fremdsprachlichen Lernenden stellt und von daher sehr gut zur Schulung des extensiven Lesens eingesetzt werden kann. Als Diskussionsgegenstand für Unterrichtszwecke erscheint das Werk weniger geeignet.


John Steinbeck, Tortilla Flat (1935)

Tortilla Flat ist eine kleine Siedlung in der Nähe des kalifornischen Fischerdörfchens Monterey. Dort leben die mittellosen paisanos, die zum Teil spanischer oder mexikanischer, zum Teil aber auch indianischer Abstammung sind. Einer von ihnen ist Danny, der völlig überraschend zwei Häuser erbt, so dass er sein nächtliches Lager im Wald aufgeben kann. Die Häuser werden zum Anziehungspunkt für andere, die Danny als Mieter akzeptiert, ohne dass sie je Miete zahlen, und so entsteht in kurzer Zeit eine verschworene Gemeinschaft.

Sowohl die Beschreibung der Individuen als auch die Charakterisierung der Gruppe insgesamt ist außerordentlich reizvoll. Im Zentrum steht natürlich der Hausherr Danny, der in seinem Eigentum lediglich die Nutzung seines Bettes für sich beansprucht. Ein wertvoller Freund ist der scharfsinnige Pilon, der mit Hilfe seiner analytischen Fähigkeiten aus jeder menschlichen Schwäche Vorteil zu ziehen weiß. Daneben gibt es noch den Piraten (sein Spitzname leitet sich von seinem dunklen Bart her), der sich nie von seinen zahlreichen Hunden trennt und der darauf spezialisiert ist, an den Hintertüren von Gasthöfen Nahrung für die Freunde zu besorgen.

Ferner zu nennen sind das Schlitzohr Big Joe Portagee, der einmal gegen den Gruppenkodex verstößt und dafür von den anderen fürchterlich bestraft wird, und der stets hilfsbereite Jesus Maria Corcoran, der durchsetzt, dass die Freunde Big Joe noch einmal verzeihen. Diese und andere sind Nonkonformisten, die eine Zeitlang eine homogene Gruppe bilden, welche von Steinbeck zutreffend in ironischer Weise mit den legendären Rittern der Tafelrunde des Königs Artur verglichen wird (vgl. Preface).

Danny und seine Freunde sind Lebenskünstler, die regelmäßige Arbeit verabscheuen. Sie haben keinen Respekt vor dem Gesetz, und sie interpretieren die Moral stets zu ihren Gunsten. Sie kennen viele Methoden, um von dem "korsischen Bastard" Torrelli Wein zu bekommen; sie trinken regelmäßig und haben oft Streit, den sie ebenso regelmäßig wieder beilegen.

Mit ihren alltäglichen Verhaltensweisen verbinden sich aber auch positive Ziele und menschliche Qualitäten. Sie stehlen beispielsweise, damit die Kinder anderer Leute nicht mehr zu hungern brauchen, und sie überwinden ihre Faulheit, um christliche Nächstenliebe zu praktizieren. Zwar sind sie abergläubisch und gehen in einer bestimmten Nacht im Wald auf Schatzsuche, aber sie sind auch gläubig und helfen dem Piraten, ein Gelübde zu halten.

Mit anderen Worten: Danny und seine Freunde sind stolze Männer, die zwar hier und da die Grenzen der Legalität überschreiten, die aber gleichwohl ein Gefühl für Anstand und Solidarität beweisen. Wie der Protagonist in einem pikaresken Roman leben sie von ihrer Cleverness, und wie in einem solchen besteht in Tortilla Flat die Handlung aus einzelnen Episoden. Doch fehlt in Steinbecks Werk die oft in dieser Gattung anzutreffende satirische Absicht: vielmehr werden die Freunde mit viel Verständnis für ihre menschlichen Schwächen porträtiert.

Tortilla Flat ist nicht das erste Werk Steinbecks, wohl aber das früheste, mit dem er Anerkennung und Aufmerksamkeit erlangte. Kennzeichnend für den Roman sind sein Humor, seine liebevolle Ironie und gelegentlich auch eine gewisse Wehmut, denn mit dem Tode der Integrationsfigur Danny zerfällt die Gemeinschaft. Auch rund 75 Jahre nach seinem Erscheinen ist das Werk noch immer ansprechend. Von seinem Umfang, von seiner Lexik und Syntax her ist es Schülern von der Jahrgangsstufe 11/2 an zuzumuten. Allerdings sollte dabei der Schwerpunkt nicht so sehr auf der Analyse und Diskussion als auf der Schulung des extensiven Lesens liegen.


Truman Capote, Breakfast at Tiffany’s (1958)

Dieser Roman wurde zusammen mit drei Kurzgeschichten im Jahre 1958 erstmalig in England veröffentlicht. Im Zentrum steht eine sehr exzentrische junge Dame mit dem sprechenden Namen Miss Holiday Golightly, deren Geschichte von einem jungen, noch nicht arrivierten Schriftsteller erzählt wird, der wie sie in dem gleichen New Yorker Appartment-Haus wohnt. Aufgrund seiner subjektiv eingeschränkten Perspektive erschließt sich dem Erzähler und somit auch dem Leser der Charakter dieser Frau als ein stufenweiser Prozess.

Miss Golightly und der Erzähler werden dadurch miteinander bekannt, dass sie stets ihren Hausschlüssel vergessen hat, wenn sie in der Nacht spät heimkehrt. Als einer ihrer Begleiter betrunken in ihrem Appartement liegt, flüchtet sie sich in die Wohnung des Erzählers, der sie angeblich an ihren großen Bruder Fred erinnert. Obwohl sie ständig von reichen Verehrern umworben wird, behauptet sie, lesbisch zu sein und eine Lesbierin als Mitbewohnerin zu suchen. Auch als tatsächlich wenig später eine gewisse Mag Wildwood bei ihr einzieht, bleibt die Wahrheit dieser Aussage zweifelhaft, denn Miss Golightly sucht wohl eher eine Frau, die ihr die Hausarbeit abnimmt.

Sie selbst ist nach wie vor ständig unterwegs, sehr viel auf Reisen und versucht offenbar immer wieder, Kontakte zu knüpfen, die ihr zu einer Karriere in Hollywood verhelfen sollen. Regelmäßig indes besucht sie ihren inzwischen inhaftierten früheren Kunden Sally Tomato, der ihr über seinen Anwalt für jedes Erscheinen 100 Dollar überweisen lässt. Schließlich stellt sich heraus, dass Sally Tomato mit Miss Golightlys Hilfe aus dem Gefängnis heraus einen weltweiten Drogenhandel betreibt, wobei offen bleibt, ob sie ihre Funktion bewusst oder unbewusst erfüllt. Jedenfalls wird sie nach vorübergehender Verhaftung gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt und benutzt diese Chance, um sich nach Südamerika abzusetzen.

Miss Golightly ist eine Person, die aus sehr ärmlichen Verhältnissen stammt und die durch den Tod beider Elternteile zusammen mit ihrem Bruder Fred zur Vollwaise wurde. So lernt sie früh, durch Stehlen ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Mit 14 Jahren heiratet sie einen Tierarzt und Farmer, der sich der Geschwister annahm. Doch kaum erwachsen, lässt sie ihn mit seiner Familie im Stich und versucht in New York ihr Glück. Sie träumt von einem bequemen, sorgenfreien Leben, aber dennoch ist sie entschlossen, sie selbst zu bleiben, wenn sie eines Morgens im luxuriösen Hotel Tiffany ihr Frühstück einnehmen sollte.

Aufgrund seines überschaubaren Umfangs erfordert dieser amüsante Kurzroman eine verhältnismäßig geringe Lesezeit. Zudem sind die sprachlichen Anforderungen an einen fremdsprachlichen Lernenden nicht sehr hoch, so dass das Werk vor allem als privater Lesestoff zu empfehlen ist. Für den Lehrer indes, der im Englischunterricht an einer literarischen Analyse sowie an einer schülerorientierten Diskussion der Thematik interessiert ist, gibt es eine Fülle von ergiebigeren und attraktiveren Optionen. Die bekannte, auch heute noch sehenswerte Verfilmung (Regie Blake Edwards, Audrey Hepburn in der Rolle der kapriziösen Miss Golightly) folgt in wesentlichen Aspekten nicht der literarischen Vorlage.


Colin Higgins, Harold and Maude (1971)

Harold Chasen ist ein etwa 20jähriger, intelligenter, aber psychisch labiler Einzelgänger, der nach seinem Verweis von der Schule immer noch bei seiner steinreichen Mutter lebt. Er hat bereits eine Serie von 15 (!) Selbstmordversuchen hinter sich und befindet sich in regelmäßiger psychiatrischer Behandlung. Mrs Chasen sieht nur zwei Möglichkeiten, die Zukunft ihres Sohnes erfolgversprechend zu gestalten: entweder ihm zu einer passenden Frau zu verhelfen oder aber ihn in der Armee unterzubringen. Sie überredet ihn, drei mit Hilfe eines Fragebogens und einer Computer Dating Company ausgesuchte Heiratskandidatinnen zu empfangen, doch schockiert Harold jeweils beim ersten Rendezvous die jungen Damen so sehr, dass sich weitere Kontakte erübrigen. Auch sein Eintritt in die Armee erweist sich trotz der Hilfe seines Onkels Victor als ein sehr kurzes Gastspiel.

Maude ist eine exzentrische, lebenslustige Dame von knapp 80 Jahren, zu deren Gewohnheiten es gehört, Autos zu stehlen und mit diesen die Geschwindigkeitsbeschränkungen zu überschreiten. Die sich anschließenden Verfolgungsjagden mit der Polizei gehören in die Rubrik "Klamauk im Straßenverkehr". Aber sie engagiert sich auch für die Erhaltung der Natur, sie schreibt und komponiert eigene Songs und interessiert sich zudem für Kunst. Zu ihren Bekannten zählt der gelehrte Künstler Glaucus, der laufend aus der griechischen Mythologie zitiert, ständig Eisblöcke modelliert und daher noch nie ein Werk vollenden konnte.

Wie es der Titel schon vermuten lässt, werden Harold und Maude Freunde: bezeichnenderweise lernen sie sich anlässlich einer Beisetzung kennen. Mehr noch: aus ihrer Freundschaft wird allmähliche Zuneigung und gegenseitige Liebe. Obwohl Harold zur Heirat entschlossen ist und Maude zu ihrem 80. Geburtstag mit diversen Überraschungen zu erfreuen versucht, bleibt sie bei ihrem vor langer Zeit gefassten Entschluss, an diesem Tage freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Ohne Harold zu informieren, nimmt sie eine Überdosis Tabletten zu sich, und alle Rettungsversuche kommen zu spät. Die Schlussszene zeigt Harold, wie er nach Verlassen des Elternhauses sich von seinem Auto (einem Leichenwagen) trennt und sich offenbar allein auf eine ungewisse Wanderschaft begibt.

Nicht nur aufgrund ihres enormen Altersunterschieds sind Harold und Maude wohl eines der seltsamsten Liebespaare der Weltliteratur. Ein größerer Kontrast zwischen zwei Liebenden ist kaum vorstellbar, und doch ziehen diese Gegensätze sich gegenseitig wie magisch an. Der Entschluss Maudes, ihrem Leben ein Ende zu setzen, kommt für Harold genauso überraschend wie für den Leser. Aber auch Harolds Beweggründe für seine am Fließband produzierten Suizidversuche werden aus dem Text heraus nicht deutlich. Klar ist nur, dass er diese mit erheblicher Sorgfalt als Kommunikationssignale an seine Umwelt inszeniert, ausgeklügelte Mechanismen für das jeweilige eigene Überleben einbaut und seine Mutter immer weniger damit beeindruckt. Vor allem die Verfilmung erreichte rasch Kultstatus, der anschließend veröffentlichte Text fand indes in der Literaturwissenschaft kaum Beachtung.

Es fragt sich, warum der Reclam-Verlag diesen Roman fast 35 Jahre nach der Erstveröffentlichung herausbringt. Er erschien im Jahre 2005 in der "Roten Reihe" des Verlags mit den üblichen Merkmalen: Aufbereitung des Texts durch einen soliden, in Fußnotenform angelegten Sprach- und Sachkommentar, eine editorische Notiz, ein kurzes Literaturverzeichnis und ein knappes, aber informatives Nachwort. Der Text bietet sich weder für eine literaturwissenschaftliche noch für eine psychologische Analyse im Englischunterricht an, allenfalls für eine persönliche, kursorische Lektüre der Lernenden. Letztlich muss jeder Leser für sich herausfinden, ob die alten Gags noch zünden oder ob sie ihm allenfalls ein müdes Lächeln abzubringen vermögen.


Rosamunde Pilcher, Snow in April (1972)

Dieser frühe, leicht überschaubare Roman zeigt bereits eine Reihe von typischen Merkmalen, die Rosamunde Pilchers Werke bestimmen. Die Handlung setzt mit der Schilderung einer Abendgesellschaft ein, die in London von Diana und Shaun Carpenter gegeben wird. Sie beide planen, aus geschäftlichen Gründen für einige Jahre nach Kanada zu gehen und wollen Dianas elfjährigen Stiefsohn Jody gegen dessen Willen mitnehmen. Diana erweist sich als eine sehr dominierende Persönlichkeit: sie hat es - auch wenn in bester Absicht - eingefädelt, dass ihre 22jährige Stieftochter Caroline nach einer für sie enttäuschenden Liebeserfahrung in die Eheschließung mit ihrem geschäftstüchtigen, nicht unsympathischen Bruder Hugh Rashley eingewilligt hat. Doch es kommt alles ganz anders.

Jody widersetzt sich dem Wunsch Dianas. Er überredet seine Schwester Caroline, in einem geliehenen Auto mit ihm nach Schottland zu fahren, wo in der Grafschaft Perthshire ihr gemeinsamer Bruder Angus als Aushilfe in einem Hotel arbeitet. Damit verfolgt Jody die vage Hoffnung, dass ihn der Aussteigertyp Angus auf Dauer bei sich aufnehmen wird. Kurz vor ihrem Ziel geraten Caroline und Jody in einen schweren Schneesturm, kommen von der Straße ab und befinden sich unvermittelt in einer lebensgefährlichen Situation.

Zur gleichen Zeit hält sich zufällig Oliver Cairney ebenfalls in Perthshire auf: nach dem plötzlichen Unfalltod seines Bruders Charles hat er nicht nur an dessen Beisetzung teilgenommen, sondern er muss auch die Familienbelange neu ordnen. Caroline und Jody schlagen sich zu Olivers Farm durch, werden von ihm gerettet und gastfreundlich aufgenommen. Sein nächster Nachbar Duncan Fraser, der Besitzer von Rossie Hill, zeigt Interesse, Olivers Land zu übernehmen. Darüber hinaus ist seine Tochter Liz in Oliver verliebt, während rein zufällig ihre geschiedene Mutter eine Freundin Diana Carpenters ist.

Zwischen Jody und Oliver entwickelt sich von Anfang an eine echte Freundschaft, während Oliver und Carolines Verhältnis eher von latenten Spannungen gekennzeichnet ist. Liz sieht zudem in Caroline eine Rivalin, die sie möglichst rasch nach London zurückschicken möchte. Doch benötigt Caroline nochmals Olivers Hilfe: als sie im Hotel die Ankunft ihres Bruders Angus erwartet, macht sich bei ihr eine akute Blinddarmentzündung bemerkbar, die eine sofortige Operation erfordert. Oliver und Caroline entdecken ihre Gefühle füreinander, beschließen zu heiraten und Jody zu sich zu nehmen: Jody wird Oliver helfen, leichter den Tod seines verunglückten Bruders zu überwinden. So führt der Roman nach einigen Komplikationen doch noch zu einem vollkommen glücklichen Ende.

Dieses kommt angesichts der Durchsichtigkeit der Handlung keineswegs überraschend. Zwar sind die Landschaftsbeschreibungen zum Teil beeindruckend, indes sind die Romanereignisse banal. Der Zufall führt so geschickt Regie, dass alle Intrigen wirkungslos bleiben und so dem Harmoniebedürfnis des Lesers Rechnung getragen wird: zweifellos erklärt sich Rosamunde Pilchers Erfolg daher, dass die stets versöhnliche Grundstimmung ihrer Werke eine Alternative zur Übersättigung der Öffentlichkeit mit Sex, Gewalt und Verbrechen darstellt.

Doch bleibt die literarische Qualität ihrer Romane bescheiden: es ist wohl kein Zufall, dass sich die Literaturwissenschaft bisher konsequent der Analyse ihrer Werke verweigert hat. Theoretisch wäre es denkbar, die Reclam-Ausgabe von Snow in April von der Jahrgangsstufe 12/1 an einzusetzen, um literarische Geschmacksbildung ex negativo zu betreiben. Doch gibt es m.E. eine Fülle von attraktiveren Projekten für den fortgeschrittenen Englischunterricht.


Sue Townsend, The Secret Diary of Adrian Mole (1982)

Eine Inhaltsangabe des o.g. Werkes ist unmöglich. Aber dieses geheime Tagebuch eines pubertierenden 13 ¾-jährigen Jungen vorzustellen, heißt sicherlich in vielen Fällen, Eulen nach Athen tragen, hat es doch in Großbritannien wie in Deutschland eine ungewöhnliche Popularität erreicht. Deswegen soll hier eine kurze Charakteristik genügen.

Adrian Mole beginnt sein Tagebuch mit guten Vorsätzen zum Neuen Jahr. Unter anderem will er den Blinden helfen, die Straße zu überqueren, seine Hose aufhängen, nicht anfangen zu rauchen und zu trinken, dem Hund und den Armen gegenüber freundlich und hilfreich sein und aufhören, seine Pickel auszuquetschen. Daran schließen sich viele Alltagsepisoden an, die, wie an einer Perlenschnur gereiht, chronologisch erzählt werden. Unter anderem beschreibt Adrian,

- wie er bei den barmherzigen Samaritern christliche Nächstenliebe praktiziert, um am Nachmittag in der Schule den Mathematikunterricht zu schwänzen;

- wie er seinen Plattenspieler aufdreht, um einen Streit zwischen seinen Eltern nicht anhören zu müssen;

- wie er, obwohl er sich als intellektuell bezeichnet, Schwierigkeiten beim Verständnis der Romane von Jane Austen hat, weil diese nicht modern genug schreibt;

- wie er nach der Lektüre von Animal Farm wegen der Gemeinheit der Schweine Tränen vergießt und sie künftig mit Verachtung zu strafen entschlossen ist;

- wie er sich zum ersten Mal verliebt und seine Empfindungen in Verse fasst, etc., etc.

Die Reihe der Beispiele ließe sich endlos fortsetzen, aber der Witz, der Humor und die liebe- und verständnisvolle Ironie der Autorin sind nur aus dem Text der Lektüre selbst nachzuvollziehen. So gilt mehr denn je das Motto: lesen und genießen, und das ist sicherlich schon im Englischunterricht der Sekundarstufe I möglich.


Nick Hornby, A Long Way Down (2005)

Der Kultautor Nick Hornby geht in diesem Roman von einer ganz besonderen Ausgangslage aus: der 31.12. ist ein beliebtes Datum für Suizide. Auf dem Dach eines dafür bekannten und berüchtigten, aus 12 Stockwerken bestehenden Londoner Hochhauses treffen an diesem Tage vier Leute zusammen, die alle, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Motiven heraus, die Absicht haben, ihrem Leben ein Ende zu setzen.

Da ist zunächst einmal der Moderator einer TV-Show namens Martin Sharp, dessen Familie daran zerbrach, dass Martin sexuelle Beziehungen zu einer Minderjährigen unterhielt, die ihn über ihr wahres Alter getäuscht hatte. Daher verlor er nicht nur seinen ursprünglichen Job als Bankangestellter, sondern musste auch eine Gefängnisstrafe absitzen. Da ist weiter die Mutter Maureen, die ihren kranken 19jährigen, offenbar von frühester Kindheit an im Koma liegenden Sohn Mattis pflegt und dabei nicht ohne Anti-Depressiva auskommt. Als dritte ist die betrunkene achtzehnjährige Jess Crichton zu nennen, die aus einem wohlhabenden Elternhaus stammt: sie will nicht weiter leben, weil ihr Freund Chas sie unvermittelt, ohne jeglichen Versuch einer Erklärung, verlassen hat. Der vierte im Bunde ist der amerikanische Pizzalieferant JJ, ein ehemaliger Musiker, der sich wie ein Versager fühlt.

Trotz ihrer Verzweiflung sind alle vier bereit, die Geschichte der Anderen anzuhören, und so kommen sie ins Gespräch: es entstehen einzelne Erzählblöcke aus der wechselnden Sicht der Beteiligten, d.h. es fungieren alle vier Charaktere als Ich-Erzähler des Geschehens. Nach Überwindung einiger Schwierigkeiten finden sie Chas; dieser hat Angst vor Jess, da sie sich nicht nur an ihn klammert, sondern ihn auch einmal mit einem Messer bedrohte. Dennoch überreden sie ihn zu einem Gespräch mit Jess, das jedoch nur zu einer neuen Attacke führt. Danach beschließt die Gruppe, zu Martins Wohnung aufzubrechen, in der jedoch seine ehemalige Kollegin Penny wartet, die er unter dem Vorwand, zur Toilette zu müssen, hat sitzen lassen.

Dies ist nur ein Beispiel für die überraschenden Wendungen in der Handlung. Es wird jedoch deutlich, dass die vier Lebensmüden ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln, ihr Handeln aufeinander abstimmen, sich gegenseitig aufmuntern und zumindest einmal für die nächsten sechs Wochen, d.h. bis zum Valentinstag, den Gedanken an Suizid aufgeben. Mit diesem gemeinsamen Beschluss endet der erste Teil.

Im zweiten Teil nehmen die Ereignisse eine völlig neue Richtung. Chas informiert die Presse von dem Silvestervorhaben der Gruppe. Dadurch kommen die vier auf die Idee, ihre 'Erlebnisse' zu Geld zu machen: für ein Honorar von 5000 Pfund geben sie vor, in der Silversternacht auf dem Dach des Hochhauses einen Engel gesehen zu haben. Danach treten sie in Martins TV-Show auf, d.h. in einem von der Öffentlichkeit kaum beachteten Kanal des Privatfernsehens. Anschließend verbringt die Gruppe einen gemeinsamen Urlaub auf Teneriffa, der besonders für Maureen eine völlig neuartige Erfahrung bedeutet. Als sie sich am Valentinstag wiedersehen, bejaht jeder der Gruppe das Leben. Doch kommt es jetzt keineswegs zu einem vorzeitigen happy ending. Auf dem Dach des Hochhauses treffen sie auf einen jungen Mann, dem sie vergeblich ihre Hilfe anbieten: dieser setzt durch einen Sprung in die Tiefe seinem Leben ein Ende. Damit kommt der zweite Teil zum Abschluss.

Der Suizid des Mannes hat für die vier Gruppenmitglieder schwerwiegende Folgen. Sie kommen zu der Erkenntnis, dass sie unfähig sind, sich selbst zu töten, was bei ihnen zu erneuten Depressionen und suizidalen Neigungen führt, weil sich der von ihnen anvisierte Ausweg nicht als eine wirkliche Lösung erweist. Und somit bleibt auch die Handlung im dritten Teil unvorhersehbar und spannend bis zum Schluss. Für einige der Charaktere ergeben sich Änderungen bezüglich ihrer persönlichen Lebensbedingungen, doch stellt niemand den Zusammenhalt der Gruppe in Frage. Das Ende des Romans ist insofern offen, als sich die Gruppenmitglieder erneut auf eine Fristverlängerung für ihr aller Weiterleben einigen. Auf die entscheidende Frage indes, wie sie einen potentiellen Selbstmörder von der Sinnlosigkeit seines Vorhabens überzeugen können, findet niemand eine Antwort.

Hornby ist ein Meister des literarischen Humors. Trotz des heiklen, ja delikaten Themas Suizid, das wie ein Leitmotiv bis zum Schluss des Romans ständig wiederkehrt, verwendet er keinen schwarzen Humor, keinen Galgenhumor, keine forcierten Gags, sondern eine lockere Art des Umgangs mit all zu menschlichen Problemen, die zum Lachen reizen, ohne dass einem dieses im Halse stecken bleibt. Insofern wird der Roman an dieser Stelle als Werk der Unterhaltungsliteratur aufgeführt.

Diese Art des Schreibens muss man im Original kennenlernen, da jede noch so gute Zusammenfassung des Inhalts ebenso unzulänglich bleiben muss wie jeglicher Versuch einer Interpretation. Die vier Hauptcharaktere legen einen langen Weg zurück, um ins Leben zurückzufinden, und so erweist sich der Titel des Romans in einem ganz anderen Sinne wahr, als es die Ausgangslage der Ereignisse zunächst vermuten lässt.

Der Text weist eine ungeheure Fülle von literarischen, sozio-kulturellen und aktuell-politischen Anspielungen auf. Seine Sprache ist teilweise von witzigen Vergleichen, Metaphern und Wortspielen, aber auch von stark umgangs- und vulgärsprachlichen Ausdrücken geprägt, die für deutsche Schülerinnen und Schüler sicherlich nicht allzu schwierig sind. Meines Wissens liegt bisher keine didaktische Ausgabe vor, so dass Lehrende und Lernende auf eine authentische, z.B. auf die bei Penguin erschienene Version zurückgreifen müssen. Der Roman dürfte gerade für junge Leser sehr ansprechend sein: insofern ist seine Lektüre im Englischunterricht sicherlich von der Klasse 11 an möglich und empfehlenswert.

Last Updated by Dr. Willi Real on Monday, 17 March, 2008 at 9:02 AM.

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